Die schwere Aufgabe, den Strom im Gleichgewicht zu halten

Quelle: www.deutschlandfunk.de

 

Weil die RW Silicium ab und an bereit ist, ihre Lichtbogenöfen auf Strom-Diät setzen zu lassen, winkt eine Prämie – 15.000 Euro monatlich. Nutznießer des Deals ist ein Dritter: Tennet, ein Netzbetreiber. Die sind auch dafür zuständig, den Stromverbrauch und die Stromerzeugung jeder Sekunde in der Balance zu halten. Es muss wirklich jede Sekunde stimmen."

Online schreiben die Netzbetreiber die Kontingente aus, die sie benötigen - mit Datum, Uhrzeit und Dauer. Die Bieter nennen Preise und beziffern in Megawatt, was sie an Last oder Leistung stellen könnten. Die günstigsten Angebote pickt eine Software heraus - rund um die Uhr.

Pumpspeicherkraftwerke sind ideal dafür. Das eine Mal nehmen sie den Netzbetreibern ungeplant anfallenden Strom ab und nutzen ihn, um damit Wasser aufwärts in ein Reservoir zu pumpen. Ein anderes Mal lassen sie das Wasser einfach wieder bergabwärts fließen. Den dabei entstehenden Strom geben sie an die Netzbetreiber ab – auf Knopfdruck und fast ohne Verlust kehrt die Energie ins Netz zurück. In beiden Fällen wird bezahlt, denn mit der sogenannten "Regelleistung" wird eine Dienstleistung erbracht.

 

Und mit dieser Dienstleistung lässt sich Geld verdienen, das hat sich längst rumgesprochen: Die Next Kraftwerke AG aus Köln beispielsweise hat Biogas-Landwirte unter Vertrag. Die steigern ihre Leistung, wenn per Signal aus Köln Regelenergie angefordert wird. So funktioniert es auch bei Entelios. Nur, dass die Münchner nicht Stromerzeuger, sondern energiehungrige Stromverbraucher um sich scharen. In Frage kommen...

"... Prozesse, die natürlicherweise einen Puffer haben: Kältemaschinen, Hitzeerzeugung. Bei Paulaner zum Beispiel gibt es eine Grundwasserpumpe. Ein ganz triviales Teil eigentlich. Weil dahinter ein Tank ist. An so und so vielen Stunden am Tag muss die Pumpe Wasser fördern. Aber wann das genau ist, interessiert keinen Menschen. Das sind alles Sachen, die in Frage kommen."

 

"Intelligenten Stromnetz" nennt man es, wenn sich Stromverbraucher und -erzeuger untereinander vernetzen, um die Stromversorgung und den -verbrauch zeitlich zu optimieren.

 

"Diese ganze Smartmeter-Diskussion. Wo Geräte installiert werden müssen, Daten ausgetauscht werden, damit jemand mal eine Waschmaschine oder einen Kühlschrank schaltet, da sehen wir uns nicht. Gar nicht. Weil das sehr, sehr kleinteilig ist, sehr aufwendig. Und es ist auch gespickt mit datenschutzrechtlichen Problemen."

Ihn interessieren nicht die kleinteiligen Dinge, sondern die großen: Wie einst die vier Lichtbogenöfen der RW Silicium im niederbayerischen Pocking. Mit ihrer Last von 60.000 Kilowatt spielen sie in einer ganz anderen Liga.

"Ja, wir haben eine Online-Anbindung an Tennet. Das heißt, die bekommen immer die aktuellen Ofendaten geliefert, sehen also genau, welche Leistung wir fahren. Und wenn die jetzt Bedarf haben, dann schicken die ein Regelleistungs-Signal an uns 'soundsoviel Megawatt müssen jetzt reduziert werden. Und dieses Signal wird direkt an unsere Öfen weitergegeben. Das heißt, wir greifen da gar nicht ein, das geht voll automatisch. Das heißt: Tennet fährt die Öfen runter."

 

"Wenn die Abrufe in einem gewissen Rahmen sind, dann geht das im Rauschen der Produktion unter. Und wenn man da geringe Abrufe hat von ein paar Minuten am Tag, weil man irgendwelche Regelleistungsspitzen bedient, dann wirkt sich das nicht so auf den Produktionsplan aus."

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Kommentare: 1
  • #1

    Plötzlich Blackout! (Dienstag, 05 August 2014 12:17)

    Im Stromversorgungssystem der Zukunft wird diese systemübergreifende Zusammenarbeit eine wesentliche Rolle spielen, nicht nur im Großen, sondern auch im kleineren, lokalen Maßstab, um robuste dezentrale Zellstrukturen zu schaffen.

    Hier wird aber auch noch einiges an Bewusstseinsschaffung erforderlich sein. Denn der derzeitige Ansatz mit hohen finanziellen Abgeltungen wird sich auf Dauer uns im größeren Maßstab nicht finanzieren lassen.

    Das Beispiel zeigt auch, dass mit derartigen Vorgangsweisen eine "totale und zentralisierte" Vernetzung mit etwa Smart Metering wenig sinnvoll ist, da das Mikromanagement wohl eher zur Verwundbarkeit als zur Systemsicherheit beiträgt. Smart Meter als Teil eines dezentralen Systems ohne zentrale Vernetzung können jedoch eine Rolle spielen.