Vulnerabilität und Resilienz als Konzepte zum Umgang mit irreduziblen Unsicherheiten bei der Energiewende

Quelle: www.resystra.de

 

Mit dem Fortschreiten der Energiewende rückt zunehmend die Frage nach der Sicherheit in den Fokus, mit der die Energiesysteme die von ihnen erwarteten Dienstleistungen tatsächlich lückenlos und mit der erwarteten Qualität erbringen können. Für eine Übergangszeit muss von einer Zunahme von Instabilitäten und Störereignissen ausgegangen werden, für die es wenige Erfahrungswerte gibt.

Als resilient werden hier Systeme verstanden, die auch beim Auftreten innerer und äußerer Ausfälle und Störungen ihre Dienstleistungen aufrecht erhalten.

 

Das Leitkonzept „Resiliente Systeme“ bezeichnet dementsprechend die Orientierung auf die Vermeidung größerer Systemzusammenbrüche bei der Gestaltung von sozio-technischen Systemen.

 

Die massive Transformation des komplexen Systems der leitungsgebundenen Energieversorgung im Rahmen der Energiewende führt mit hohem Tempo in einen nicht eindeutig festgelegten, aber in jedem Fall unerprobten Zustand, was zumindest zeitweise mit einer deutlich höheren Gefährdung der Versorgungssicherheit einhergehen dürfte.

 

Die Unsicherheiten über die Entwicklung des sozio-technischen Energiesystems im Zeitraum von Jahren und erst recht Jahrzehnten sind so groß, dass die Betrachtung nur weniger heute konsistent erscheinender Szenarien keine ausreichende Entscheidungsgrundlage für die Wahl eines Transformationspfads bietet.

Auch hat keine Studien von vor 2010 den massiven Zubau an Photovoltaik der letzten Jahre annähernd abgebildet.

 

Diese Unsicherheiten sind in erster Linie dadurch charakterisiert, dass die Wahrscheinlichkeit möglicher Entwicklungen nicht ansatzweise abschätzbar ist und die Unsicherheit auch nicht wesentlich reduziert werden kann (vgl Stirling 2003). Als Konsequenz daraus ist keine klassische Risikoanalyse (Eintrittswahrscheinlichkeit multipliziert mit der potenziellen Schadenshöhe) möglich.

 

Es ist davon auszugehen, dass stets in Art oder Ausmaß unvorhergesehene Störereignisse (Überraschungen) auftreten.

 

Im Nachhinein lassen sich meist vorangegangene Warnsignale für solche Extremereignisse identifizieren, was in jedem Fall nützlich zur Vorsorge ist. Trotzdem ist es wichtig festzuhalten, dass es immer in Art oder Ausmaß unvorhersehbare Störereignisse geben wird. Als Konsequenz daraus müssen im Sinne einer Umsetzung des Vorsorgeprinzips Formen eines adäquaten Umgangs mit Nichtwissen entwickelt und praktiziert werden.

 

Abstrakte Gestaltungselemente resilienter Systeme, wie Puffer, Redundanzen, Diversität und dämpfende Rückkopplungen, sind aus der Analyse von Ökosystemen, in denen diese teilweise über Millionen von Jahren erprobt sind, abgeleitet worden.

 

Um mit unerwarteten Störereignissen in adäquater Weise umgehen zu können, ist bei der Kopplung sowohl räumlich getrennter als auch verschiedenartiger Infrastruktursysteme eine starre Abhängigkeit soweit wie möglich zu vermeiden. Weder eine stark zentralisierte noch eine stark dezentralisierte Versorgung erscheinen dafür als geeignet.

Kritische Anmerkungen

Während die oben angeführten Zitate zu unterstreichen sind, gibt es in der Publikation auch einige Aussagen, die einer kritischen Anmerkung bedürfen:

 

"Erschwerend hinzu kommt das auf Grund des Klimawandels gebotene Tempo des Energiesystemumbaus, welches die Umsetzung eines vorsorgeorientierten behutsamen Ausprobierens nur sehr bedingt zulässt."

Hier ist wohl keine wissenschaftliche Neutralität gegeben und eine massive Selbstüberschätzung der Rolle Deutschlands beim Klimawandel zu attestieren. Genauso gut könnte man "speed kills" entgegenhalten. 

 

"Ein permanenter Einsatz von Strom für die Wärme- und Treibstoffversorgung kann beispielsweise zu einer massiven Abhängigkeit in der Versorgung mit den verschiedenen Gütern führen, wie dies bei der strombasierten Wärmeversorgung in Frankreich zu beobachten ist."

Dieser Seitenhieb auf Frankreich ist wohl nicht erforderlich, sind doch alle europäischen Länder massiv von der Stromversorgung abhängig. Auch bei uns funktionieren keine Gas- oder Fernwärmeheizungen, wenn kein Strom fließt. Die Treibstoffversorgung ebenso wenig.


"Noch Klärungsbedarf besteht auch in Bezug auf eine Bewertung der Konflikte zwischen effizienten und resilienten Lösungen, z.B. in Bezug auf ein sinnvolles Maß an Redundanzen im System, und in Bezug auf die jeweiligen Verantwortlichkeiten, auch auf entsprechende Strukturen hinzuwirken."

Nachdem unser Lebensstil massiv von der Verfügbarkeit der Stromversorgung abhängig ist, lässt sich die Frage wohl einfach beantworten. Wenn nach spätestens einer Woche Stromausfall unser Gesellschaftssystem zerfällt, kann eine betriebswirtschaftlich optimierte "Effizienz" nur eine nachgeordnete Rolle spielen. Das werden wir spätestens nach einem europäischen Blackout realisieren.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Plötzlich Blackout! (Montag, 02 Juni 2014 09:18)

    "In jedem Fall unerprobten Zustand, was zumindest zeitweise mit einer deutlich höheren Gefährdung der Versorgungssicherheit einhergehen dürfte."

    Oder bereits Realität ist. Aber dann muss die Resilienzbetrachtung auch viel weiter gehen - es geht vor allem um uns Menschen, die wir auf solche Störungen nicht vorbereitet sind. Und wir haben nur wenig Zeit, wie ja auch im TAB-Bericht (http://www.ploetzlichblackout.at/2013/10/05/studie-des-deutschen-bundestages-gefährdung-und-verletzbarkeit-moderner-gesellschaften-durch-stromausfall/) nachzulesen ist, um mit einer solchen Störung sinnvoll umzugehen :-(.

    "Die Folgenanalysen haben gezeigt, dass bereits nach wenigen Tagen im betroffenen Gebiet die flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit (lebens)notwendigen Gütern und Dienstleistungen nicht mehr sicherzustellen ist. Die öffentliche Sicherheit ist gefährdet, der grundgesetzlich verankerten Schutzpflicht für Leib und Leben seiner Bürger kann der Staat nicht mehr gerecht werden. Die Wahrscheinlichkeit eines langandauernden und das Gebiet mehrerer Bundesländer betreffenden Stromausfalls mag gering sein. Träte dieser Fall aber ein, kämen die dadurch ausgelösten Folgen einer nationalen Katastrophe gleich. Diese wäre selbst durch eine Mobilisierung aller internen und externen Kräfte und Ressourcen nicht „beherrschbar“, allenfalls zu mildern."