Welche Wechselwirkungen sind bei einem Blackout im urbanen Raum zu erwarten?

Im Rahmen der Diplomarbeit "Die Netzwerkgesellschaft und Krisenmanagement 2.0" wurde gemeinsam mit zwei Krisenmanagern (Stadt Wien, Wien Energie Stromnetz) 2012 eine Sensitivitätsanalyse (S. 129ff) erstellt. Im präventiven Krisenmanagement ist die Erfassung der vernetzten Zusammenhänge besonders wichtig, damit in weiterer Folge auch die entsprechenden Vorkehrungen („Systemgestaltung“) getroffen werden können.

Für die Bearbeitung wurde die Fragestellung: „Welche Wechselwirkungen sind bei einem Blackout im urbanen Raum zu erwarten?“gewählt und somit als System definiert.

Im ersten Schritt wurden 20 systemrelevante Variablen definiert, die für einen urbanen Raum von entscheidender Bedeutung sind:

  1. (eine funktionierende) Abwasserentsorgung

  2. (verfügbare) Betreuungseinrichtungen

  3. (Qualität der Koordinierung der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben) BOS

  4. (eine funktionierende) Dezentrale Gesundheitsversorgung

  5. "Displaced Persons"

  6. (ein funktionierender) Güterverkehr/Logistik

  7. (eine funktionierende) Hygiene & Seuchenprävention

  8. Industriegefahren (unter Kontrolle)

  9. (eine funktionierende) Lebensmittelversorgung

  10. (ein funktionierendes) Lokales Krisenmanagement

  11. (eine funktionierende) Öffentliche Ordnung und Sicherheit

  12. (die Verfügbarkeit des) Personenverkehrs

  13. Rettung von Menschen aus Notlagen

  14. (ein funktionierendes) Staatliches Krisenmanagement

  15. (eine funktionierende) Telekommunikation (zivil)

  16. (eine funktionierende) Treibstoffversorgung

  17. Verhalten der Bevölkerung

  18. Verhalten der Medien

  19. (eine funktionierende) Wasserversorgung

  20. (eine funktionierende) Zentrale Gesundheitsversorgung

Einflussmatrix

Im zweiten Schritt wurden die einzelnen Variablen miteinander in Bezug gebracht und ihre wechselseitigen Wirkungen mit 0-3 bewertet (0 = keinen Einfluss, 1 = unterproportioanler Einfluss, 2 =  proportioanler Einfluss, 3 = überproportioanler Einfluss).

Das Ergebnis ist eine Einflussmatrix.

Einflussmatrix
Einflussmatrix

Die kybernetische Rolle der einzelnen Variablen

Daraus ergibt sich dann die kybernetische Rolle der einzelnen Variablen. Die Anordnung der Variablen in der Rollenverteilung erfolgt aufgrund der errechneten Aktiv- (AS) bzw. Passivsumme (PS). Damit wird die Rollenzuordnung festgelegt:

  • als Hebel (aktiv),

  • als Risikofaktor (kritisch),

  • als Messfühler (reaktiv) oder

  • als träges Element (puffernd oder in irgendeiner Position dazwischen).

Kybernetische Rollenbeschreibung; Quelle: Malik Management Zentrum St. Gallen
Kybernetische Rollenbeschreibung; Quelle: Malik Management Zentrum St. Gallen
Rollenverteilung
Rollenverteilung

Kybernetische Rollenbeschreibung und Ableitungen

Variable

Kybernetische Rollenbeschreibung

Interpretation und Ableitungen

 

1 Abwasserentsorgung
Als Schalthebel geeignet, der, wenn man den richtigen Ansatz zu seiner Betätigung findet, das System nach erfolgter Änderung erneut stabilisieren kann (plastische Stabilität).
Die Abwasserentsorgung hängt eng mit der Wasserversorgung zusammen bzw. ist ohne diese nicht möglich. Die Auswirkungen werden erst zeitverzögert spürbar. Vor allem führt sie zu einem Hygieneproblem, das sich ebenfalls verzögert auswirkt. Ab wann und in welchem Umfang infrastrukturelle Schäden zu erwarten sind – z. B. durch verstopfte Kanalanlagen oder den Zusammenbruch der Kläranlagenbiologie – ist separat zu betrachten.

 

2 Betreuungseinrichtungen
Schwach puffernde reaktive Komponente, die zwar Systemveränderungen widerspiegelt, aber nur bedingt als Indikator tauglich ist, da sie diese z. T. selber kompensiert.
Die sichere Betreuung des Nachwuchses wirkt sich stabilisierend aus. Ungewissheit und fehlende Kommunikation können aber sehr wohl weitreichende Auswirkungen nach sich ziehen, wenngleich wahrscheinlich erst nach der unmittelbaren Krisensituation.

 

3 BOS
Hier liegen Komponenten, in denen sich Systemveränderungen widerspiegeln (Messfühler). Man ist daher verführt, direkt steuernd einzugreifen. Dies kann die Situation nur verschleiern, und gleichzeitig unerwartete Nebenwirkungen zur Folge haben.
Die BOS sind am stärksten mit den Auswirkungen konfrontiert, sie haben direkten Kontakt mit der Bevölkerung und sehen auch sehr viele andere Bereiche ? Daher sind sie ein besonders guter Messfühler, der dazu auch noch vernetzt ist. Sie stellen daher einen sehr wichtigen Beitrag für das Lagebild dar.

 

4 Dezentrale Gesundheitsversorgung
Leicht reaktive und schwach puffernde Komponente, die bei der Selbstregulation des Systems mitwirkt, ohne jedoch Indikator zu sein.
Die dezentrale Versorgung ist nicht einfach greifbar – und hängt vor allem von der Selbstorganisationsfähigkeit und dem Willen der Beteiligten ab. Zum Beispiel, ob Apotheken trotz fehlender Kassen- und Logistiksysteme die vorhandenen Medikamente ausgeben oder lokale Ärzte ihre Dienste anbieten. Die Auswirkungen werden erst bei einer längeren Dauer der Krise spürbar werden. Auch hier gilt die Reduktion auf das Notwendigste bzw. ist der Fokus auf die Notfallversorgung zu legen.

 

5 "Displaced Persons"
Neutralbereich zwischen aktiv, reaktiv, puffernd und kritisch. Mit den hier liegenden Komponenten lässt sich das System kaum gezielt steuern, dafür gut geeignet für die Selbstregulation, wenn in Regelkreise eingebunden
Eine Vielzahl von unbekannten Parametern schafft eine schwer greifbare Variable. Die Auswirkungen sind auch je nach Tages- und Jahreszeit sehr unterschiedliche. Die Wirkung sollte daher keinesfalls unterschätzt werden

 

6 Güterverkehr / Logistik
Komponente, an der Eingriffe zu sich rasch dämpfenden Schwingungen führen, die Beweglichkeit vortäuschen, ohne dass sich an der Systemkonstellation viel ändert. In Regelkreise eingebaut, fängt sie so Störungen auf. Auch als sanfter Korrekturhebel geeignet
Der Güterverkehr stabilisiert vor allem den Versorgungsbereich, wenn auch zeitverzögert. In den ersten 24 Stunden wirkt sich diese Variable kaum aus, erst danach steigt ihre Relevanz deutlich an

 

7 Hygiene und Seuchenprävention
Neutralbereich zwischen aktiv, reaktiv, puffernd und kritisch. Mit den hier liegenden Komponenten lässt sich das System kaum gezielt steuern, dafür gut geeignet für die Selbstregulation, wenn in Regelkreise eingebunden.
Die Auswirkungen wirken sich erst stark zeitverzögert aus. Ohne Zwischenfälle gibt es kaum Auswirkungen

 

8 Industriegefahren
Als Schalthebel geeignet, der, wenn man den richtigen Ansatz zu seiner Betätigung findet, das System nach erfolgter Änderung erneut stabilisieren kann (plastische Stabilität)
Lokale Gefahrenstoffaustritte sind rasch einzudämmen – dann gibt es wieder Stabilität. Größere Zwischenfälle sind eher nicht zu erwarten.

 

9 Lebensmittelversorgung
Hier liegen nur schwache, puffernde Steuerhebel, die jedoch spezifisch auf andere Variablen angesetzt werden können, um vielleicht indirekt die gewünschte Wirkung zu erzielen
Ein Problem in der Lebensmittelversorgung wirkt sich erst stark zeitverzögert (deutlich nach 24h) aus, gewinnt dann aber massiv an Bedeutung – wenn keine ausreichende Krisenvorsorge/Eigenbevorratung vorhanden ist. Gröbere Produktionsschwierigkeiten, etwa durch Ausfall von Glashäusern, oder Notschlachtungen wirken sich erst stark zeitverzögert aus

 

10 Lokales Krisenmanagement
Hochkritisch-reaktiver Bereich. Hier können Eingriffe zu völlig neuen Konstellationen führen, deren Folgen dort nicht mehr zu korrigieren sind
Das Krisenmanagement und die Krisenkommunikation sollen ja durch die Krise führen. Ein negatives Krisenmanagement wirkt sich entsprechend negativ auf die Krisenbewältigung und Koordination aus

 

11 Öffentliche Ordnung und Sicherheit
Durch Eingriffe in Komponenten dieses Bereichs finden oft Pendelbewegungen statt, die Korrekturen im System relativ bald kompensieren. Man kann dieser Eigendynamik, die manche Entwicklung zum Erliegen bringt, eher von außerhalb des Systems beikommen
Die Schaffung von Ordnung und Sicherheit kann stabilisierend wirken, bei Übertreibung kann das aber auch wieder gegenläufige Auswirkungen erzeugen. Besonders bei einem sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz durch das Österreichische Bundesheer ist hohe Sensibilität in der Vorgangsweise gefordert

 

12 Personenverkehr
Leicht reaktive und schwach puffernde Komponente, die bei der Selbstregulation des Systems mitwirkt, ohne jedoch Indikator zu sein
Mit einem Notverkehr können Personen wieder in „stabile Situationen“ gebracht werden. Weniger betroffene Personen erfordern weniger Koordinierungsaufwand

 

13 Rettung von Menschen aus Notlagen
Typisch puffernde, wenig agierende und reagierende Komponente, die, falls kein "Wolf im Schafspelz" (z.B. gezielt auf kritische Variablen wirkend) durch Selbstregulation das System stabilisieren hilft (elastische Stabilität)
Hier besteht durchaus das Potenzial für einen „Wolf im Schafspelz", insbesondere nach der unmittelbaren Krisenlage. Viele lang eingeschlossene Personen werden zu einer negativen Meinungsbildung beitragen. Darüber hinaus gibt es hier ein hohes Potenzial an traumatisierenden Eindrücken mit entsprechenden Folgewirkungen.

 

14 Staatliches Krisenmanagement
Äußerst kritische Komponente. Bei einem Eingriff ist ein unkontrolliertes Aufschaukeln und Umkippen kaum zu verhindern. Daher mit Samthandschuhen anfassen. Nur bei sehr erstarrten Systemen als Initialzündung einsetzen, aber durch negative Rückkopplung absichern.
Das Krisenmanagement und die Krisenkommunikation sollen ja durch die Krise führen. Ein negatives Krisenmanagement wirkt sich entsprechend negativ auf die Krisenbewältigung aus. Besonders das nationale Krisenmanagement ist entscheidend, wenn das lokale Krisenmanagement nicht mehr ausreicht bzw. zusätzliche Ressourcen erforderlich sind – d. h., wenn die Situation bereits eskaliert. Umso wichtiger ist daher eine entsprechende Vorbereitung. Denn in der Krise wird kaum Zeit für entsprechende Überlegungen bleiben und unbedachte Eingriffe können schwerwiegende Folgen auf das Gesamtsystem nach sich ziehen.

 

15 Telekommunikation (zivil)
Recht aktiver Hebel, mit dessen Benutzung jedoch auch unbeabsichtigte Änderungen auftreten können. Daher Nebenwirkungen analysieren!
Mit der (technischen) Kommunikationsfähigkeit können viele Vorgänge beeinflusst werden. Bei Ausfall gibt es massive Nebenwirkungen, die nur schwer zu kompensieren sind.

 

16 Treibstoffversorgung
Als Schalthebel geeignet, der, wenn man den richtigen Ansatz zu seiner Betätigung findet, das System nach erfolgter Änderung erneut stabilisieren kann (plastische Stabilität).
Die Treibstoffversorgung gewinnt vor allem zeitverzögert an Bedeutung, da damit die wichtigsten Grundfunktionen und das Krisenmanagement aufrecht erhalten werden können. Ab etwa 24 Stunden spitzt sich die Lage zunehmend zu. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Auffüllung der Tanks von Notstromaggregaten nach Wiederverfügbarkeit der Stromversorgung einige Zeit in Anspruch nehmen wird und gleichzeitig in eine mögliche kritische Phase der noch gegebenen Instabilität des Stromnetzes fällt.

 

17 Verhalten der Bevölkerung
Hier finden sich starke Beschleuniger und Katalysatoren, die zwar als Initialzündung geeignet sind, um Dinge überhaupt in Gang zu bringen. Unkontrolliertes Aufschaukeln und Umkippen ist jedoch dabei sehr leicht möglich, daher höchste Vorsicht (Samthandschuhe)!
Das Verhalten der Bevölkerung wird vor allem von der Krisenkommunikation abhängen – dementsprechend ist hier behutsam vorzugehen, was nur mit einer entsprechenden Vorbereitung möglich ist. Schwer abschätzbar ist, wann und wie stark sich der Ärger über die unzureichende Risikokommunikation und das ins „offene Messer laufen lassen“ Luft verschaffen wird. Dies wird wahrscheinlich auch von entsprechenden „Rädelsführern“ und den Medien abhängen. Gleichzeitig gibt es hier aber auch ein hohes Potenzial, durch eine offene und ehrliche Risikokommunikation und Vorbereitung für den Krisenfall vorzusorgen. Wobei dieses Thema bereits in dieser Phase mit Samthandschuhen anzufassen ist, was nicht bedeutet, dass es erst gar nicht versucht werden soll.

 

18 Verhalten der Medien
In diesem leicht kritischen, aber stark reaktiven Bereich können unbedachte Eingriffe eine Menge unerwarteter Folgen haben und über den gleichen Weg nicht mehr rückgängig zu machen sein.
Wenn Medien nicht oder mit falschen Informationen versorgt werden, dann werden sie ein Eigenleben entwickeln. Auch hier gilt, dass die Reaktionen erst zeitverzögert bzw. nach der unmittelbaren Krisensituation zu erwarten sind.

 

19 Wasserversorgung
Ein Schalthebel, der spezifisch eingesetzt werden kann, ohne selber davon betroffen zu sein. Die Komponenten dieses stark puffernden Bereichs lassen sich jedoch vom eigenen System aus kaum bewegen und verlangen Eingriffe von außen.
Die Wasserversorgung beeinflusst andere Variablen stark, wenngleich zeitverzögert. Die volle Tragweite wird wahrscheinlich erst bewusst, wenn sie nicht mehr zur Verfügung steht.

 

20 Zentrale Gesundheitsversorgung
Recht bewegliche reaktive Komponente, bei der Eingriffe relativ leicht gelingen und vordergründig zum gewünschten Resultat führen, das jedoch durch die Rückwirkungen aus dem System bald wieder neutralisiert wird.
Besonders Krankenhäuser sind auf die Bewältigung von Krisensituationen ausgelegt und vorbereitet. Daher kann lokal auf dieses Know-how zurückgegriffen werden. Hingegen neutralisieren externe Ereignisse (Logistikprobleme, fehlender Patiententransport, Massenanfall, etc.) diese Vorteile wieder sehr rasch. Bezogen auf das Gesamtsystem – ein großer urbaner Raum mit vielen Menschen – spielt in der Krise die zentrale Gesundheitsversorgung nur eine beschränkte Rolle. Zu beachten ist, dass der Fokus auf die Notfallversorgung zu legen ist und nach Möglichkeit der Alltagsbetrieb auf das absolute Minimum reduziert werden sollte, um entsprechende Ressourcen in Reserve zu halten bzw. die anstehenden logistischen Probleme abzufedern. Dies sollte sich auch frühzeitig in einer entsprechenden Krisenkommunikation an die Bevölkerung niederschlagen. 

Ableitungen

Die hier durchgeführte Sensitivitätsanalyse bezog sich auf das Gesamtsystem urbaner Raum. Die Betrachtung erfolgte dabei auf einer Metaebene. Eine weitere Detaillierung der einzelnen Variablen und die Betrachtung des jeweiligen Subsystems wären notwendig, um weitere relevante Abhängigkeiten zu erfassen.

 

Grundsätzlich besteht die Hoffnung, dass bei einem Stromausfall – nach der Überwindung des ersten Schocks – durchaus in vielen Bereichen eine Phase der Stabilität eintritt. Diese wird aber von mehreren Faktoren beeinflusst, etwa ob die Wasserver- und Abwasserentsorgung funktionsfähig bleibt oder wie sich die Wetterlage auf das Geschehen auswirkt. Auch die Dauer wird dabei eine wesentliche Rolle spielen. Ein ein- bis zu rund 24-stündiger Stromausfall dürfte durchaus im verkraftbaren Bereich bleiben. Dies darf aber keinesfalls zu voreiligen Schlüssen – weder vor der, noch in der Krise – führen.

 

Sollte der Stromausfall länger als 24 Stunden andauern, werden Eskalationen immer wahrscheinlicher, da zunehmend bis dahin wichtige Stützen ausfallen und die Einsatzkräfte an ihre Leistungsgrenzen stoßen werden. Dies insbesondere, wenn es keine entsprechenden Krisen- und Notfallpläne (Stichwort: „Personaleinsatz“) gibt. Die sich ausbreitende Verunsicherung in der Bevölkerung wird das Restliche dazu beitragen, bis hin, dass die fehlende Eigenbevorratung zunehmend spürbar wird. Diese Verunsicherung kann durch zu erwartende Rückschläge beim wieder Hochfahren des Stromnetzes massiv verstärkt werden. Auch hier sollte entsprechend rechtzeitig kommunikativ eingegriffen werden. Eine präventive Risikokommunikation über den möglichen Verlauf und die zu erwartenden Schwierigkeiten und Rückschläge bzw. über die beabsichtigten Maßnahmen würde das Krisenmanagement wesentlich entlasten – die Menschen hätten eine Vorstellung, was auf sie zukommen könnte.

 

Bei der Betrachtung des Szenarios Blackout ist eine über die unmittelbare Primärkrise hinausgehende Analyse erforderlich. Es ist davon auszugehen, dass im Anschluss an die Primärkrise eine Reihe von Sekundärkrisen entstehen, beispielsweise durch die Fragestellung, wer schuld ist und wer für die Schäden aufkommt bzw. wie mögliche fatale wirtschaftliche Schäden abgefedert werden können. Auch das Thema Logistik wird einige Koordinierungen erfordern, um den Normalzustand möglichst rasch wieder herzustellen. Etwa bei der Fragestellung, welche Tanks von Notstromaggregaten mit welcher Priorität nachgefüllt werden müssen – da ein Rückschlag durch ein neuerliches Blackout jederzeit möglich ist. Diese Unsicherheitsphase wird vermutlich so bald wieder irgendwie möglich zu Hamsterkäufen führen. Dies würde in die Phase des Wiederanlaufes der Logistikketten fallen und eine Normalisierung der Versorgung zusätzlich erschweren. Als Nebeneffekt müssen dadurch lokale Spannungen und Eskalationen erwartet werden. Ein anderes Thema könnte die Abwasserentsorgung betreffen. Wenn die Biologie von Kläranlagen zerstört wurde, stellt sich die Frage, mit welcher Priorität diese wieder in Betrieb genommen werden. Hier sind besonders zwei Faktoren zu berücksichtigen. Es ist ein erheblicher Unterschied, ob eine oder hunderte Kläranlagen gleichzeitig betroffen sind, sowohl was die Wiederbeschaffung von Ausgangsmaterialien als auch was die ungeklärte Abwasserentsorgung betrifft. Dadurch wird einmal mehr deutlich, dass die Betrachtung eines Einzelelementes oder -systems zu möglicherweise fatalen Fehleinschätzungen führt. Und es unterstreicht die Notwendigkeit eines international gut vernetzten nationalen Krisenmanagements, um mögliche komplexe Schadenslagen in der vollen Tragweite erfassen zu können.

 

Ein solches Szenario wird viele kritische Fragen aus der Bevölkerung und seitens der Medien hervorrufen. Die Analyse hat die besonders kritische Konstellation – „lokales/staatliches Krisenmanagement“ – „Verhalten der Bevölkerung“ – „Verhalten der Medien“ zutage geführt. Hier besteht eine besonders hohe Gefahr für selbstverstärkende Regelkreise, die leicht zum Kippen der Lage führen können. Dadurch weist der Status quo ein hohes Potenzial für Sekundärkrisen auf, die zu weit höheren Schäden als die Primärkrise führen können. Dieses Eskalationspotenzial darf nicht unterschätzt werden, insbesondere wenn im Primärszenario erhebliche oder nicht vorhergesehene Probleme auftreten. Dies könnte u. a. den Betreuungseinrichtungsbereich aber auch die Rettung von Menschen aus Not- und Zwangslagen betreffen.

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